Weil er „an die Stelle des Seins im Wissen den Ausdruck des Scheinens“ gesetzt habe, sei Skeptizismus „Philosophie, die jedoch nicht System genannt werden kann noch sein will.“ Was Hegel für eine unhaltbare Schwäche hielt, verstand aber Nietzsche als Stärke und Beweis dafür, dass der Skeptiker „der einzige ehrenwerte Typus unter dem so zwei- bis fünfdeutigen Volk der Philosophen“ sei. So unterschiedlich, ja geradezu widersprüchlich lässt sich die paradoxe Denkart und Haltung der im späten 4. Jh. vor Chr. von Pyrrhon gegründeten skeptischen Schule in der Tat deuten und bewerten. Die Skeptiker unterzogen nämlich alle heftig konkurrierenden Lehren der damals schon etablierten philosophischen Schulen einer umfassenden und radikalen Skepsis – einer akribischen, kritischen, regelrecht dekonstruktivistischen Untersuchung, die im grundsätzlichen und unüberwindlichen Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Wahrheitssuche bzw. an der Möglichkeit des Wissens schlechthin schließlich gipfelte. So rückte in den Mittelpunkt der philosophischen Praxis die wohl herausfordernde Aufgabe, ohne jeglichen „dogmatischen“ Anspruch das Leben überhaupt doch noch zu bejahen und zu gestalten…
Philosophie ist keine Kunst, die Welt einsam zu verlassen! Sie ist vielmehr die Kunst, unsere Welt besser - besonnener und gemeinsam - zu verstehen und zu bewohnen. Mitten in der Geschäftigkeit des Alltags und zwischen den allzu oft verkrusteten, vermeintlich letzten Antworten schafft sie einen Freiraum für das Nachdenken und Diskutieren über die ersten Fragen, die uns alle angehen. Deshalb ist sie von Grund auf Begegnung und Dialog, mitten drin und abseits zugleich… Und dabei zählt nicht das Fachwissen und –können des Einzelnen, sondern nur das Bedürfnis und die Lust aller, sich miteinander einen etwas freieren Blick in das zu verschaffen, was eigentlich ist oder sein soll. In diesem Sinne wollen wir uns einmal im Monat treffen, um Themen, Werken, Fragen unserer philosophischen Tradition und auch unserer eigenen Welt gemeinsam und in aller Ruhe zu begegnen.
Wenn der antike Philosoph Aristoteles den Menschen als das logosbegabte Tier und der moderne Naturforscher Carl von Linné ihn als homo sapiens definieren, bezeichnen Logos und Sapientia – Denk- und Sprachvermögen bzw. Klugheit und Weisheit – nicht nur eine naturgegebene oder im Lauf der Evolution entwickelte Fähigkeit unter anderen, sondern die ausgezeichnete Begabung, welche die Einzigartigkeit, wenn nicht sogar die Würde des menschlichen Wesens schlechthin ausmachen soll. So stand stets und steht immer noch die Frage nach Sinn und Natur dieser so wesentlichen Dimension des menschlichen Daseins im Mittelpunkt der Philosophie. Und dies sogar wohl mehr denn je! Denn gerade als sein vielleicht eigentümlichstes Werk stellt die künstliche Intelligenz – sei es auch nur, ungeachtet ihrer schon realen oder nur erhofften Leistungen, ihre bloße Idee selbst – eine für den Menschen durchaus neuartige, ja geradezu einzigartige Herausforderung dar. Sie zwingt nämlich das menschliche Denken zu einer sicherlich hoch verstörenden weil buchstäblich an dessen eigene Substanz gehenden Klärung sowohl seiner anthropologischen Wesensbestimmung und existentiellen Bedeutung als auch seiner gesellschaftlich-politischen Machtstellung selbst…